1988 Just Music

Achim Heppelmann (1988)

Just music - just horns

Eine zweite Reihe von Studio-Konzerten am Stück präsentiert die FMP zu Pfingsten: ohne Rotation diesmal, mit einem Abendkonzert für jedes Ensemble. Das Programm bietet vier reine Bläsergruppen an.

Von vielen Kritikern unterbewertet oder schlicht übersehen, muss der Baritonsaxophonist und Klarinettist Manfred Schulze dennoch zu den wichtigen Improvisatoren der DDR gerechnet werden. Seit Mitte der sechziger Jahre führte das „Manfred Schulze Bläserquintett“ experimentelle Erkundungen völlig abseits des bekannten DDR-Jazz durch. Für viele Musiker stellte Schulze ein initiales Problem dar: In einer Zeit, da die treibenden Kräfte auch der deutsch-demokratischen Jazz-Szene ihre neue Identität im Free-Jazz zu finden und zu festigen suchten, bestand der Sachse Schulze auf neue, aber beengende Strukturmodelle und verlangte seinen Mitmusikern höchste Disziplin ab. Er setzte nicht auf freie Improvisation, sondern notierte vollends verbindliche „lmprovisationsmodelle“, aus denen die Musiker - einer vorgegebenen Dimension entsprechend und nach bestimmten Schlüsseln und Regeln - wählen konnten. Die Auflösung der Strukturen bedeutete ihm nichts; statt dessen war Schulze bemüht, mit Klangflächen und Räumen neue Strukturen erst zu erschaffen.

Sein zwischen den Stühlen angesiedeltes Konzept brachte ihn mit dem Komponisten der Neuen Musik Hermann Keller zusammen, mit dem er das Berliner Improvisations-Quartett gründete.

Entsprechend seiner kompositorischen Kompromisslosigkeit entwickelte Manfred Schulze ein ganz spezifisches Handwerk, dem der Chronist des europäischen Jazz', Ekkehard Jost, einen ausgiebigen und sehr kontrollierten Gebrauch der „irregulären ansatz- und grifftechnischen Möglichkeiten seines Instruments“ bescheinigt. „lnsgesamt“, schreibt Jost, „ist dies eine sehr eigenständige Art des Baritonsaxophonspiels, einerseits sehr instrumentenspezifisch, aber doch gleichzeitig ganz anders als die aller anderen mir bekannten Vertreter dieses Instruments“.

Das aktuelle Manfred Schulze Bläserquintett besteht übrigens aus vier Saxophonisten und einem Posaunisten.

Über die Alpen kommt das „Atipico Trio“ angereist: Die drei Klarinettisten gehören in jene Reihe junger Musiker, die in Italien daran arbeiten, wie Enrico Rava es vor vier Jahren beschrieb, „die Musiksprache, die sich vom Jazz herleitet, mit Formen, Strukturen und Rhythmen aus der volksnahen traditionellen Musik Italiens zu verknüpfen. Auch traditionelle Instrumente finden hier und da eine neue Verwendung“. Das Atipico Trio demontiert Schlager, ebenso Lieder und Tänze aus dem Mittelalter, florentinische oder piemontesische Folklore - und improvisiert darüber oder verarbeitet die Fundstücke zu eigenen Kompositionen.

Ein weiteres Ensemble der „Just Horns“ wird „Peter Brötzmann/Alfred 23 Harth" heißen; der vierte Programmpunkt dieser Reihe stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.

aus: Broschüre „improvised music“, Free Music Production(FMP), 1988

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