FMP/FREE MUSIC PRODUCTION - An Edition of Improvised Music 2010

FMP CD 144

David Keenan

 

“Die Azteken gaben den Opfergaben ihrer Götter immer einen Hund bei,
damit der Geist auf dem Rücken des Hundes durch die Wasser des Todes schwimmen konnte.”
Perle Epstein, The Private Labyrinth Of Malcolm Lowry.


Im Post-Fire-Music Zeitalter wirkte die Musik von Die Like A Dog wie ein Bollwerk gegen das einschläfernd Verschwommene und die entkräftende Mystifizierung der Musik und der Botschaft Albert Aylers. Ayler selbst hat viel dazu beigetragen, diese einfache Lesart zu propagieren, die psychedelisch angehauchten Cover, das Bild des Siegels des Allmächtigen auf seiner Stirn, die Vision der erwartungsvollen Seele im Streben nach spiritueller Einheit. Für Peter Brötzmann liegt der Schlüssel in einer anderen Interpretation der Legende, einer, die auf dem Grund des East River endet, so sang- und klanglos wie der Konsul am Ende von Malcolm Lowrys Roman Unter dem Vulkan kopfüber in den Abgrund geworfen wird, ein toter Hund direkt hinterher. Er hat sich aufgebraucht, oder vielmehr, er hat seine eigene Prophezeiung erfüllt. Brötzmann versteht Aylers Formel als heilende Kraft, mit Betonung auf der physischen Energie, auf Power. Das ließe sein Leben weniger als sentimentales Sittenspiel erscheinen - Ikarus, der zu nah zur Sonne flog (man denke an Geschichten über Ayler, das Gesicht zugekleistert mit Sonnencreme, mit Pelzmantel und Sonnenbrille am Times Square) - sondern eher als gelebtes Leben, ein ‚todsicherer’ Vertrag. Es unterstreicht die magische Realität von Aylers Gambit - dass der Preis der Prophezeiung das Opfer ist, und das Opfer selber ein Austausch von Energie.

Brötzmann spielt Energiemusik, furchteinflößend in ihrer Befreitheit. Aber wie Ayler sieht er sich eher als Erweiterer denn als Sprenger einer bestimmten Tradition. Schon bei den Machine Gun Sessions verband Brötzmann seine martialischen Attacken mit lärmenden Big Band Improvisationen, mit Verbindungen zur Tradition, die über ein reines Zitat hinausgingen. Während vieles im Bereich der zeitgenössischen improvisierten Musik aus dem Jazz kam, sich aber schnell abgrenzte zu einer ganz selbstbewusst als ‚post’ verstandenen Kunstpraxis, hat Brötzmann immer an der Speerspitze der Tradition gearbeitet, ohne den selbst-verleugnenden Fundamentalismus des weniger selbstsicheren Improvisators, der ständig auf der Hut ist vor jedem noch so geringen Anflug eines Zitats. Indem er Stimmen der Vergangenheit belebt, Elemente ‘primitiver’ Musik einfließen lässt (bitte zu verstehen als ‚ursprünglich’, wie Charles Olson betont) - Blues und Gospel, Stilelemente des Mittleren Ostens und Afrikas – klingt Brötzmanns Musik gleichermaßen archaisch wie futuristisch.

Trotz der Herkunft des Namens war Die Like A Dog alles andere als ein reines ‚Fire Music’ Quartett. Die Mitarbeit des Bassisten William Parker und des Perkussionisten Hamid Drake bedeutete für Brötzmanns Musik die Verbindung mit einem mehr rhythmisch bestimmten, weniger rigiden Konzept von ‚Time’. Toshinori Kondo war die Wildcard. Oft war er es, der dem treibend selbstsicheren Bass- und Drumstil entgegenarbeitete, oder, vielleicht besser gesagt, ihn auflockerte, mit der verstärkten Trompete den Sound durchschneidend wie ein Scheinwerfer die Dunkelheit. Ohne falsche Ehrfurcht wird elektrische Verstärkung eingesetzt, gleichzeitig gibt es keinen Platz für technikfeindliche Begriffe wie rau oder unverfälscht, obwohl von Brötzmanns Musik immer noch in einer Weise gesprochen wird, die ihn wie einen bullenartigen Savant erscheinen lässt. Aber Kondos halluzinatorischer Sound, diese merkwürdige Blase, die er um sich herum entstehen lassen kann, hat unweigerlich Ähnlichkeiten mit dem elektrischen Miles, mit den endlosen Grooves von Live Evil, On The Corner und Agharta. Aus dieser Perspektive scheint Die Like A Dog genau auf dem Kreuzungspunkt von Tradition aus der Vergangenheit auf ihrem Weg in die Zukunft zu liegen.

Diese Aufnahme entstand bei einem Konzert beim Total Music Meeting im Podewil in Berlin am 16. November 1994. Eine tour-de-force durch die verschiedenen Herangehensweisen der Gruppe. Drakes Handtrommeln bringen Brötzmanns und Kondos sphärische Seiten zum Vorschein. Einander in geisterhaften Stimmlagen umkreisend fliegen sie manchmal so hoch, dass es den Anschein hat, die DNA selbst der Musik würde sich auflösen. Die Gruppe hat eine Stimme, oder vielmehr, hat Stimmen. Von Parkers klagendem Arcospiel über Brötzmanns wunden Ton und Kondos ratterndes Echo liegt die Betonung auf der Sprache, auf einer natürlichen Linie. Auf dem Weg dorthin unterwirft sich die Gruppe einem Prozess von Mäßigung und Anpassung durch Kultivierung und Freilassen von Energie. Die Musik wird zur Essenz, reduziert auf die ursprüngliche musikalische Geste, während sie Elemente wie Vorzeichen, Spalttöne und vokalisierte Schreie in den Status von Bausteinen einer neuen Sprache erweitert. Und obwohl es wenig Raum gibt für Empfindsamkeiten, gibt es eine Menge Gefühl. Dies ist eine Musik die fühlt, die die Erfahrung von Gefühl kommuniziert – von Sein – in einer Sprache, die aus der Tiefe des Körpers entspringt und ebenso physisch wie spirituell ist. Der wahre Preis der Prophezeiung, das gibt Brötzmann zu verstehen, ist wie der geopferte Leichnam, wie ein Hund im Fluss. Energie verlangt fortwährend Opfer. Kleine Vögel haben schnellen Herzschlag. Alles Mystische beiseite, dies ist so ernst wie dein Leben.

Übersetzung: Isabel Seeberg & Paul Lytton

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