FMP/FREE MUSIC PRODUCTION - An Edition of Improvised Music 1989-2004

FMP CD 102

Peter Kowald

 

Ein Bass ist ein Bass (but a house is not a home…)
Zwei Bässe sind zwei Bässe
Zwei Bassspieler sind zwei unterschiedliche Leute.

Musikalische Zwiegespräche, Frage- und Antwortspiele, Formen von Reaktion, Elemente von Dialog oder Diskussion gibt es in vielen Musiken der Welt: die Inuitfrauen singen sich gar, kalt und windig ist's in der Arktis, gegenseitig in die Münder (schön, dass sie nach jedem Stück in herzliches Lachen ausbrechen, man sagt, um nach den heftigen Atembewegungen die Spannung zu lösen. Oder?).

Musikalische Duette sind immer ein bisschen in Gefahr, Konversation zu machen. Zwischen den Polen von "du kannst mich mal…" und "wie schön wir ja zusammen…" schreitet entschieden oder wackelt basstölpelig (dieser Vogel aus der Familie der Pelikane krächzt zwar tiefe Töne, sieht aber gar nicht wie ein Tölpel aus), gleitet und springt das Duett durch die Felder von Material und Zeit: starrsinniger Egotrip und abhängiges Aneinanderkleben sind Abgründe rechts und links der Gratwanderung zwischen Autarkie und Gemeinsamkeit. Nichtsorechtmiteinanderzutunhabenwollen oder Sichöftermaltreffenkönnen sind Anteile der Freiheit, mit der diese Musik oft in einem Atemzug genannt wird. Intuition kommt erst einmal ohne Material und Zeit aus (Intuit und Inuit treffen sich im ewigen Eis…). Vielleicht trifft sich's in der Luft - ein paar Meter über den Bässen - am besten.

Wir wissen: Kontrabässe können sehr verschieden klingen und tönen: Gestrichenes und Gezupftes, tiefe Töne (wenn man die tiefe Saite herunterdreht, so tiefe, dass die einzelnen Schwingungen wahrnehmbar werden) und hohe (den höchsten Basston habe ich bei Fernando Grillo gehört: er hatte je einen Finger rechts und links der Bogenhaare gesetzt und zog den Bogen zwischen beiden Fingern durch, kürzer als das (übrigens Pferde-)Haarbündel des Bogens dick ist, kann man die Saite ja nicht fassen; es war ein klarer Ton, Glissandi verschiedenster Art, natürliche und künstliche Flageolettes, Doppelgriffe, Arpeggien, Slaps, Schläge auf Saiten/Griffbrett/Korpus, die Liste lässt sich fortsetzen. Die Familie der improvisierenden Bassisten kennt einen ganzen Haufen dieser Tricks, sie gehören inzwischen zum Allgemeingut. Manchmal tauchen neue auf, Erfindungsgeister.

Zwei gleiche Instrumente, die ähnliche Klänge hervorbringen, haben miteinander Schwierigkeit und Chance: Verdoppelung tendiert zu Abschwächung und Inflation (sich oder noch einen draufsetzen klingt ja eher nach Last).

Im besseren Fall (und den nehmen wir für unsere Improvisation immer gern an) mag Verdoppelung zur freudig/kräftiger Verstärkung führen: gemeinsamer Strang gibt auch guten Klang. Tiefe dicke Töne oder feinsinnige Verwobenheiten in den Flageolettes singen gleichzeitig Lieder von Gemeinsamkeit und Unabhängigkeit: Kontrabässe als Beziehungskisten (und wehe, jetzt kommt noch einer mit dem Witz, sie brennten länger). Zwei Bässe sind zwei Bässe. Zwei Bassisten sind immer zwei ganz unterschiedliche Leute. Das ist nicht anders zu erwarten. Dank an alle drei.

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