FMP/FREE MUSIC PRODUCTION - An Edition of Improvised Music | 1989-2004 |
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FMP CD 100 Felix Klopotek |
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There at the turning point Die Musik Charles Gayles wurde jahrelang einzig in den Kategorien von Powerplay, Energie und Verausgabung vermessen. Es scheint, als ob zwanghaft in den Tenorsaxophonisten und Multiinstrumentalisten (auf jüngeren Aufnahmen hört man ihn auch Klavier, Geige, Bassklarinette, Schlagzeug und Sopransaxophon spielen) all das rein gelesen wurde, was man im Jazz der 80er und frühen 90er vermisste: Kompromisslosigkeit, unbändiger (Überlebens-)Wille, Spiritualität und Aggressivität. Nach dieser Lesart beerbte Gayle Albert Ayler und John Coltrane und blies die über die Jahre grau gewordenen Klischees des Free Jazz einfach weg. Er war der Newcomer, der verlorene Sohn der Generation der Aylers und Frank Wrights, der Überlebende. Schließlich hatte er sich jahrelang auf den Straßen New Yorks durchgekämpft, was auf obszöne Weise zu seinem Markenzeichen stilisiert wurde. Erst kürzlich war irgendwo zu lesen, er lebe wieder auf der Straße. Was für ein Quatsch! Deutlich wird dies schon bei diesen Aufnahmen, eingespielt unmittelbar nach den legendären Free Concerts von Peter Brötzmanns ‘Die Like A Dog’ Quartet (FMP CD 64) und seinem eigenen Trio (FMP CD 90), die die FMP zu Ehren Albert Aylers am 19. und 20. August 1993 veranstaltete. Sensibilität, kinetische Flexibilität, die Vermittlung von Intuition und Konzentration, das ekstatische Sich-Treiben-Lassen wie das insistierende Umkreisen einer Idee offenbaren sich als Konstitutionsmerkmale der Musik. Und es ist klar, dass das, was man so oft von Gayle hören wollte, die verschwenderisch herausgeschleuderten Eruptionen, sich aus dieser exakten Arbeit, diesem genauen Hinhören ableiten Wer das bekannte Zitat Gayles: „Wenn das Gebäude noch steht, wenn wir hindurch sind, haben wir versagt.“, einzig auf Energy-Free Jazz bezieht, übersieht schlicht, daß die (Einsturz verursachende Kraft) der Revolution die Arbeit eines Maulwurfes ist Gayles Hingabe ist demnach destilliert aus ihrem vermeintlichen Gegenteil: den vielen Gesten, Andeutungen und flüchtigen Skizzen, die jedoch alle diesen heißen Atem verströmen und also das voraussetzen, was sie erzeugen: Hingabe. Er bedient sich dieses Geheimwissens der Improvisation, dass 1+1 nicht zwangsläufig das ergeben, was wir erwarten. Hinter all dem, was er tatsächlich oder angeblich repräsentieren soll, steht dieses Subvertieren von Mustern, die sich in mikroskopische Detailarbeit durch die historischen Referenzen und den Emotionen des Augenblicks wühlt. So gründlich, wie man seine Musik als Ausdruck der „Straße“ missversteht, so banal ist es, sie raunend als Inkarnation des Heiligen Geistes zu beschwören. Sie nimmt, vorläufig gesprochen, eine Zwischenposition, eine ambivalente Haltung zwischen Metaphysik und Materialismus, ein. Nein, Gayle erkämpft sie sich -Schritt für Schritt - aus der Religiosität, die er für sich reklamiert, den Geistern der Vergangenheit und der unmittelbaren Konfrontation mit dem JETZT. |
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