FMP/FREE MUSIC PRODUCTION - An Edition of Improvised Music 1989-2004

FMP CD 43

Hans Falb

 

Schlägt man das 1988 erschienene ,,rororo Jazz Lexikon" auf, wird man vergeblich nach dem Namen Raphe Malik suchen. In John Litweilers ,,The Freedom Principle" aus dem Jahre 1984 findet sich über ihn bloß die Bemerkung "…der strahlende Trompeter Raphe Malik, ein ehemaliger Student Taylors am Antioch College…. ". Stellt man sich dann die Frage, was dieser gottverdammte und gottbegnadete Trompeter denn getan hat um zu verhindern, dass die Jazzöffentlichkeit auf ihn aufmerksam wird, dass er die verdiente Erwähnung in der Geschichte der frei improvisierten Musik, des Free Jazz findet - dasselbe wie Cecil Taylor in seinen Anfangsjahren, keine Kompromisse, weder an Publikum, noch an Produzenten oder Zeitgeist. In seiner Musik, stark geprägt von den Begegnungen und der Zusammenarbeit mit Jimmy Lyons ab 1972 und Cecil Taylor ab 1975, lodert das Feuer heute, 20 Jahre danach, noch stärker als in seinen Anfangsjahren und mit Lyons fühlt er sich bis über dessen Tod hinaus verbunden. Vielleicht ist es die Wahl des Instruments, der Trompete, die die letzten Jahrzehnte im Bann von Miles Davis stand, der seit den frühen 70er Jahren seine Genialität aber nur mehr selten aufblitzen ließ und mehr und mehr reproduzierend tätig war. Vieles in der Musikwelt ist durch den übermächtigen Schatten, den der Paradiesvogel Miles warf, an die Ränder gedrängt worden. Wo stehen heute Trompeter wie die leider viel zu früh verstorbenen Clifford Brown und Lee Morgan, oder der geniale Bobby Bradford, der zusammen mit John Carter Meilensteine der ,,Black Music" schuf. Selbst so spektakuläre Instrumentalisten wie Hannibal Marvin Peterson erregen heute nur ab und zu Aufsehen. Saxophonisten, Gitarristen, Pianisten und Schlagzeuger haben seit Bebop-Zeiten Stile und Schulen entwickelt und Epigonentum im positiven Sinn neu definiert, doch was ist mit den Trompetern geschehen? Die Schatten von Miles und auch Chet waren übermäßig groß um Veranstaltern, Produzenten und Medienleuten überhaupt eine Chance zum Nachzudenken zu geben.

Raphe Malik, geboren in Boston, begann im Alter von drei Jahren Trompete zu spielen. In seinen Jugendjahren spielte er in Bostoner Clubs Rhythm & Blues, bis er 1972 auf Jimmy Lyons traf und ständiges Mitglied in dessen Ensemble wurde. Ab 1975 dann Zusammenarbeit mit Cecil Taylor, der ihn als ständiges Mitglied in seine Unit holte, in der zu dieser Zeit neben Lyons und Malik noch Ramsey Ameen, Sirone und Shannon Jackson mitwirkten. Die wohl fruchtbarste Zeit für Raphe, dokumentiert auf den LP's ,,Dark To Themselves", ,,Live in the Black Forest", ,,Cecil Taylor", ,,3 Phasis" und ,,One Too Many Salty Swift And Not Goodby". Eine weitere Aufnahme Raphe's ist ,,We Sneezeawee" mit dem Jimmy Lyons Quintett. Anfang der 8Oer Jahre war Raphe Malik noch in Europa unterwegs, zusammen mit Glenn Spearman, danach verliert sich seine Spur. Private Probleme, mangelnde Anerkennung, Drogen und Alkohol, das Schicksal vieler exzellenter Musiker seit den 40er Jahren, stoßen auch Raphe in die Anonymität des urbanen Dschungels. 1989 ist er wieder voll da, stellt sein Quintett wieder zusammen, mit seinem alten Partner Glenn Spearman am Tenor, der davor ebenfalls Erfahrungen in der Unit von Taylor sammeln konnte. Weiters mit Brian King Nelson am C-melody Sax., am Bass Larry Roland, der auf Banderfahrung mit Max Roach, Archie Shepp u. a. verweisen kann, am Schlagzeug Dennis Warren, ein Schüler von Milford Graves. Ende 1990 ruft mich Raphe Malik an und erzählt mir über sein Comeback. Das Interesse beider Seiten war groß, dennoch sollte es fast ein Jahr dauern, ehe sich die Möglichkeit einer Auftrittsserie in Europa ergab. Nur mit großen persönlichen Mühen und auch finanziellen Strapazen gelang es uns - der FMP in Deutschland und der Jazzgalerie Nickelsdorf in Österreich - schließlich diese Tournee durchzuführen und das Ensemble für vier Konzerte nach Europa zu holen. Zumindest aus künstlerischer Perspektive hat sich dieser Einsatz gelohnt. Die Band ist reifer geworden, Raphes Attacken auf der Trompete kommen schneller als in seinen frühen Tagen mit Cecil. Das Quintett besticht durch Kompaktheit, die beiden Saxophone schrauben sich in die Höhe und über ihnen Raphe, glasklar mit exakter Phrasierung. Zeitgenössischer Jazz, der an die große afroamerikanische Tradition von Charlie Parker bis Jimmy Lyons anschließt.

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