FMP/FREE MUSIC PRODUCTION - An Edition of Improvised Music 1989-2004

FMP CD 14

Bert Noglik

 

21. JUNI '88

Es war so, sagte Günter Sommer nach der Duo-Begegnung mit Cecil Taylor, als hätte man einen Raum betreten, der zuvor für immer als verschlossen galt. Und dann, nachdem man diesen Raum ausgeschritten hatte, öffneten sich von da aus auf einmal eine Reihe weiterer Türen.

Günter Sommer, seit einigen Jahren mit einer Musizierweise befasst, die den melodischen Linien und den harmonischen Strukturen des Schlagzeugspiels wesentliche Bedeutung beimisst, trifft auf Cecil Taylor, den Meister pianistischer Perkussivität. Sommer, dessen Klänge Raum und Zeit brauchen, um sich zu entfalten, konnte nicht ahnen, wie seine Musik mit der Taylors zusammengehen mag. Seit der ersten Begegnung in West-Berlin weiß er es. Rasanz der Läufe und feine Schwingungen der Klänge stehen nicht gegeneinander, finden im freien Spiel der Kräfte zusammen. Das zweite Duo-Konzert mit Cecil Taylor und Günter Sommer atmet die Entspanntheit des Miteinander-Könnens, entbehrt dennoch nicht der Spannung zwischen unterschiedlichen Mentalitäten. Günter Sommer geht behutsam zu Werke, ohne sich und seine Spielweise zu verleugnen. Er ist auf Drive bedacht, auf rhythmische Kontinuität, bringt dann aber mit seinem gestimmten Instrumentarium (Schlagzeug-Set, Röhrenglocken, Pauken, Gongs, Orgelpfeifen, Schalmeien) zunehmend eigene Statements ins Spiel. Er folgt Taylor und gibt zugleich Impulse, die Taylor wiederum in Form von rhythmischen Patterns von Sommer aufnimmt und weiterführt. Die Dichte der Taylorschen Mikrostrukturen geht auf in großen Bogen. Dichte und Power, Dauerläufe und Steinwüsten. Ansätze zu romantischen Wendungen, Keimformen des Melodramatischen. Strukturelle Klanggerüste, die von den Zuhörenden ausgefüllt werden können: mit Dramen von Shakespearischem Ausmaß, mit feinsten Schwingungen des Sensoriums. Musik, die der Berührung zweier Fingerkuppen nicht weniger Bedeutung beimisst als dem Kampf in der Arena der Leidenschaften. Sommer hat das Zusammenspiel mit Cecil Taylor als Begegnung in einem Vibrationsraum beschrieben. Ein Zustand gesteigerter Konzentration, der mit Spannung und Entspannung der Muskeln ebenso zu tun hat wie mit dem Austausch kultureller Erfahrung. Ebenso mit Klangsensibilität wie mit einem imaginären Brennen auf der Haut. Irgendwann im Konzert wirft Sommer die feinen bunten Federn in die Luft, die, während sie lautlos zu Boden fallen, den Eindruck schillernder Klänge erwecken. Auf unterschiedliche Weise arbeiten Cecil Taylor und Günter Sommer mit der Klanggestalt von Rhythmus. Schließlich ist das Piano für Taylor nichts anderes als die Dimension von ,,Eighty-Eight Tuned Drums". Taylor und Sommer sind sich in einem Universum von Klängen begegnet. Taylor, eine von Sommers Vorzügen hervorhebend: ,,He is a comedian." Die Akzeptanz freilich erwächst dem puren Spiel an den Instrumenten und den durch diese vermittelten Schwingungen. Sommer: ,,Es war von Anfang an weniger Kampf als Miteinander."

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