FMP/FREE MUSIC PRODUCTION - An Edition of Improvised Music 1989-2004

FMP CD 11

Alexander von Schlippenbach

 

30. JUNI '88

Wie nur wenige Improvisatoren des FREE JAZZ verkörpern Parker und Honsinger - wenn auch von Charakter und Attitüde her grundverschieden - einen bestimmten Typus, des, von Bailey so beschriebenen "pro-instrumentalen" Spielers, wie ihn nur diese Musik hervorgebracht hat. Beide haben einen eigenen Sound und eine eigene, klarformulierte Sprache, darüber hinaus aber noch eine geniale Begabung für ihr Instrument - genial, im Sinne von glückhaften Naturgegebenheiten - als ob sie wie "dafür gemacht" seien.

Somit war das, während des großen Berliner Workshops dargebotene Trio vielleicht die anspruchsvollste und auch schwierigste Formation. Der kammermusikalische Sound legt die Strukturen mit mikroskopischer Schärfe bloß und lässt den Hörer das dramatische Zusammenkommen schöpferischer Impulse und ihre gegenseitige Aufhebung in verfeinerter und äußerst differenzierter Form erleben.

Im langen, einleitenden Duett von Tenor Sax und - mit jeder Menge Gesang angereichertem Cello geht es zuerst mal wie im Taubenschlag eher hin und her als zusammen, und die Rufe des Meisters verhallen ungehört in der Wüste oder werden vom Saxofon aufgesogen und ausgespien.

Das Klavier präsentiert sich von Anfang an in seiner tragenden Funktion als Taylor endlich mit den ersten, stakkato gespielten Basstönen dazukommt.

Aber schon ab hier wird deutlich, um wie vieles leichter Parker wie auch Honsinger jeweils im Duo mit Taylor spielen, denn als Trio zusammen. So sind es schon die Duette Parker/Taylor bzw. Honsinger/Taylor um die es diese Aufnahmen lohnt. Bei den Trios gelingen jene Passagen am besten, wo wahre Dreidimensionalität entsteht, indem die Ebenen auf denen gearbeitet wird über längere Dauern hin unterschiedlich bleiben. Eine, bei freier Improvisation besonders schwierige und selten gelöste Aufgabe, die dem Hörer Mehrstimmigkeit in komplizierter Form fasslich werden lässt. Oder Momente in denen die Tonhöhen- und Akzentinterferenzen zur Einheit verschmelzen und das magische "Swingen" spürbar wird. Bei den Trioteilen sind es erst nur vereinzelt dastehende, inselartige Gebilde wo es zusammengeht. Diese werden immer reicher und differenzierter ausgebaut, wobei zum Schluss hin die Dichte des Zusammenspiels ständig zunimmt. Als Epilog steht einer von Taylors schwer deutbaren Sprechgesängen, der nunmehr von den beiden anderen Instrumenten präzise und sicher kontra punktiert wird.

Spontan improvisierte Musik (hier: Free Jazz) ist nur dann von Wert wenn sie (er) sich selber trägt, d. h. fassliche Strukturen bildet und diese zumindest abschnittweise einen gewissen Zeitraum hindurch aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln vermag. Die vorliegende Trioaufnahme dokumentiert den dramatischen Prozess solchen Schaffens auf höchster Ebene mit allen Höhenflügen, Abstürzen, Verirrungen und dem Wiederfinden des festen Bodens unter den Füßen.

For Musicians only!

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